ADHS-Medikamente in Österreich

Diese Informationen richten sich vor allem an jene, die gerade nach Österreich übersiedelt/gezogen/gezügelt sind oder vorhaben, dies zu tun, und weiterhin ein Rezepte für ihre ADHS-Medikamente brauchen. Der letzte Absatz kann auch bei Übersiedlungen im Inland relevant sein.

Gesundheitssystem

Die Gesundheitssysteme in der EU sind historisch gewachsen und trotz verschiedener Harmonisierungen weitgehend Sache der einzelnen Staaten. In Österreich legt die Bundesverfassung fest, "dass die Sozialversicherung nach dem Prinzip der Selbstverwaltung durchzuführen ist. [...] Die Sozialversicherung agiert weisungsfrei, unterliegt jedoch der staatlichen Aufsicht und Kontrolle der Aufsichtsbehörde." [1] Die unter staatlicher Aufsicht arbeitenden Krankenkassen sind ein wesentlicher Bestandteil der Sozialversicherung.

Ambulanter Bereich: Kassensystem, Wahlarztsystem

In Österreich steht nur der kleinere Teil der niedergelassenen Ärzteschaft in einem Vertragsverhältnis mit den Krankenkassen. Diese Ärzt*innen sind "Kassenärzt*innen". Sie rechnen die erbrachten Leistungen direkt mit den Krankenkassen ab. Bei ihnen gibt es "Kassenrezepte", für die in der Apotheke eine einheitliche Rezeptgebühr zu entrichten ist, sofern man nicht davon befreit ist (im Jahr 2024 EUR 7,10 pro Packung.).

Ärzt*innen ohne Kassenvertrag arbeiten als "Wahlärzt*innen". Die Leistungen sind privat zu bezahlen, Rezepte teilweise auch, wenn sie nicht zu „Kassenrezepten umgeschrieben“ werden können. Die Kasse erstattet ("refundiert") nach Einreichung der Belege einen Anteil von in der Regel 80% des Tarifs, den die Kasse für eine Leistung in der Honorarordnung festgelegt hat. Besteht eine private "Zusatzversicherung", wird der Eigenanteil je nach Vertragsbedingungen mehr oder weniger vollständig übernommen. Für von Kassenärzt*innen erbrachte Privatleistungen gibt es gar keine Erstattung, denn man hätte ja die Kassenleistung in Anspruch nehmen können.

Die Europäische Krankenversicherungskarte (EKVK)

Wenn Sie eine solche Karte haben, können Sie Leistungen bei Kassenärzt*innen in Anspruch nehmen, müssen aber vorher verschiedene Formalitäten erledigen. Geben Sie bei der Terminvereinbarung an, dass Ihr Termin über diese Karte abgerechnet werden soll, damit die Formalitäten rechtzeitig vorher erledigt werden können.

e-Card, "Bewilligungen"

Im vertragsärztlichen Bereich hat im Jahr 2005 eine grüne Chipkarte, die e-Card, 2005 den Krankenschein als Versicherungsnachweis abgelöst.  Für einen Teil der Medikamente ist die Verordnung "bewilligungspflichtig". Dies betrifft alle ADHS-Medikamente mit Ausnahme der nicht retardierten Methylphenidat-Tabletten (Ritalin®- und Medikinet®-Tabletten). Der Bewilligungsprozess wird seit 2005 fast ausschließlich in der Kassenordination über das elektronische Gesundheitsnetz der Sozialversicherung abgewickelt (bis dahin musste das Rezept grundsätzlich zur Krankenkasse gebracht und dort vorgelegt und abgestempelt werden). Die Daten über die beabsichtigte Verordnung werden mit einer medizinischen Begründung an die Gegenstelle bei der Sozialversicherung übermittelt, wo die Ärzt*innen der Sozialversicherung dann die meisten Verordnungen genehmigen oder zunächst Rückfragen stellen. Manche Verschreibungen werden nicht oder nur mit zusätzlichen Informationen bewilligt.

In Österreich erhältliche ADHS-Medikamente

  • Methylphenidat in Tablettenform und verzögert freigesetzt (Ritalin®/Ritalin-LA®, Medikinet®/Medikinet retard® (entspricht Medikinet adult® in D), Concerta® u. a.)
  • Atomoxetin (Kapseln und Saft)
  • Lisdexamphetamin mit retardierter Freisetzung (Elvanse®, in anderen Ländern auch Vyvanse®)
  • Amphetaminsulfat als Rohsubstanz, unretardiert, wird nach "magistraliter"-Verschreibung in entsprechender Stärke in Kapseln abgefüllt (nur ein Teil der Apotheken stellt Kapseln her)
  • Guanfacin (Intuniv®)

NICHT erhältlich sind Dexamphetamin in Tablettenform (Attentin® in D, CH) und Adderall® (USA).

Suchtgiftverordnung

Rezepte für jegliche Form von Methylphenidat und Amphetaminsulfat sind Suchtgiftrezepte. Sie mussten und müssen zum Teil auch weiterhin mit einer nummerierten Suchtgiftvignette versehen werden ("grünes Pickerl"). Die elektronische Verschreibung mit ihren Sicherheitsmerkmalen wird der Vignette inzwischen gleich gehalten. Rezepte für abgepackte Präparate aus dem Heilmittelverzeichnis können seit 1. Juli 2023 elektronisch ausgestellt werden. Diese Rezepte können mit Ihrer e-Card in jeder Apotheke im Inland abgerufen und ausgefolgt werden. Rezepte für magistraliter anzufertigende Mittel (z. B. Kapseln mit Amphetaminsulfat) können allerdings derzeit nicht elektronisch verschrieben werden. Sie müssen nach wie vor mit einer Vignette versehen und seit dem Ende der pandemiebedingten Erlaubnis zum Faxversand inzwischen in der Ordination abgeholt und zur Apotheke gebracht werden.

Ich brauche rasch ein Rezept für meine laufende Medikation …

Da es fast überall längere Wartezeiten für fachärztliche Termine in Kassenordinationen gibt, ist es auf jeden Fall sinnvoll, wenn Sie möglichst einen Vorrat Ihrer Medikamente an Ihren neuen Wohnort mitnehmen. Bei Fachärzt*innen, die keinen Vertrag mit Ihrer Krankenkasse haben, können Sie manchmal rascher einen Termin bekommen (siehe oben, "Wahlarztsystem"). Immer mehr Hausärzt*innen verschreiben inzwischen auch Erwachsenen fachärztlich verordnete ADHS-Medikamente weiter und tun dies auf Anfrage vielleicht auch für Sie, selbst wenn Sie Ihren vereinbarten psychiatrischen Ersttermin vor Ort noch nicht hatten, wenn Sie die bisherige Verordnung nachweisen können. Spätestens nach diesem Termin brauchen Allgemeinärzt*innen aber einen aktuellen fachärztlichen Befund in Form eines Arztbriefes. Bringen Sie auf jeden Fall einen Nachweis über Ihre ADHS-Diagnose und/oder frühere Verordnungen (z.B. Rezeptkopie) mit.